1. Übersicht
Protionamid, auch bekannt als Prothionamid, ist ein synthetisches antibakterielles Mittel, das zur Klasse der Thioamide gehört.
Es wird in erster Linie zur Behandlung von Tuberkulose eingesetzt, insbesondere in Fällen, in denen der Patient eine Resistenz gegen andere Anti-Tuberkulose-Medikamente der ersten Wahl entwickelt hat.
Protionamid wurde als Zweitlinien- oder alternative Behandlungsoption für multiresistente Tuberkulose (MDR-TB) und extensiv arzneimittelresistente Tuberkulose (XDR-TB) eingesetzt.
2. Chemische Struktur und Eigenschaften
A. Chemische Struktur
Protionamid hat die Summenformel C7H7N3S.
Die chemische Struktur besteht aus einem Thiazolring (einem fünfgliedrigen heterocyclischen Ring mit Schwefel und Stickstoff), an den eine Aminogruppe und eine Carbonylgruppe gebunden sind.
Der Thiazolring, die Carbonylgruppe und die Aminogruppe sind die wichtigsten Strukturmerkmale, die zur biologischen Aktivität und den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Verbindung beitragen.
B. Physikalische und chemische Eigenschaften
Erscheinungsbild: Weißes bis gebrochen-weißes kristallines Pulver
Molekulargewicht: 181,24 g/mol
Schmelzpunkt: 159-162°C
Siedepunkt: Nicht genau definiert (zersetzt sich vor dem Sieden)
Löslichkeit: Löslich in Wasser, Ethanol und anderen polaren organischen Lösungsmitteln
Schwach löslich in unpolaren Lösungsmitteln, wie Ether und Benzol
Stabilität: Relativ stabil unter normalen Lagerungsbedingungen, empfindlich gegenüber Licht und Wärme, die zu einem Abbau führen können. Wässrige Lösungen können anfällig für Hydrolyse sein, insbesondere unter sauren oder basischen Bedingungen.
Funktionelle Gruppen:
Thiazol-Ring
Carbonylgruppe (C=O)
Primäre Aminogruppe (NH2)
Polarität und Ladung:
Protionamid ist ein polares Molekül, da es Carbonyl- und Aminogruppen enthält.
Bei physiologischem pH-Wert liegt die Verbindung überwiegend in ihrer neutralen, nicht ionisierten Form vor.
Spektroskopische Eigenschaften:
UV-Vis-Absorption: Protionamid zeigt Absorptionsmaxima um 280-290 nm, die für die quantitative Analyse verwendet werden können.
IR-Spektroskopie: Es können charakteristische Absorptionsbanden für den Carbonyl-, Amino- und Thiazolring beobachtet werden.
NMR-Spektroskopie: Die 1H-NMR- und 13C-NMR-Spektren liefern detaillierte Informationen über die Struktur und Reinheit der Verbindung.
3. Mechanismus der Wirkung
Protionamid ist ein Prodrug, das durch das bakterielle Enzym EthA (Enoyl-[Acyl-Carrier-Protein]-Reduktase) aktiviert werden muss, um seine antibakterielle Wirkung zu entfalten.
Die aktivierte Form von Protionamid stört die Synthese von Mykolsäuren, die wesentliche Bestandteile der bakteriellen Zellwand sind.
Diese Störung der Zellwandintegrität führt zur Hemmung des Bakterienwachstums und schließlich zum Zelltod.
4. Prodrug-Aktivierung
Protionamid ist ein Prodrug, d. h. es erfordert eine metabolische Aktivierung, um seine antibakterielle Wirkung zu entfalten.
Der Aktivierungsprozess beinhaltet die enzymatische Umwandlung von Protionamid durch ein mykobakterielles Enzym namens EthA (Enoyl-[acyl-carrier-protein]reduktase).
EthA ist ein Flavin-Adenin-Dinukleotid (FAD)-abhängiges Monooxygenase-Enzym, das die oxidative Aktivierung von Protionamid katalysiert.
A. Mechanismus der Wirkung
1. EthA-vermittelte Aktivierung:
Das EthA-Enzym in Mycobacterium tuberculosis und anderen Mycobakterien ist für die Aktivierung von Protionamid verantwortlich.
EthA katalysiert die Oxidation der Thioamidgruppe in Protionamid und wandelt es in ein reaktives Zwischenprodukt um.
Es wird angenommen, dass diese aktivierte Form von Protionamid der primäre antibakterielle Wirkstoff ist, der seine Wirkung auf die mykobakteriellen Zellen ausübt.
2. Hemmung der Mykolsäuresynthese:
Die aktivierte Form von Protionamid stört die Synthese von Mykolsäuren, die wesentliche Bestandteile der Zellwand von Mykobakterien sind.
Mykolsäuren sind langkettige, verzweigtkettige Fettsäuren, die für die strukturelle Integrität und Permeabilität der mykobakteriellen Zellwand entscheidend sind.
Durch die Störung der Synthese dieser lebenswichtigen Zellwandkomponenten beeinträchtigt Protionamid die Integrität der mykobakteriellen Zellwand, was zum Zelltod oder zur Wachstumshemmung führt.
3. Veränderung des zellulären Stoffwechsels:
Zusätzlich zu seinen direkten Auswirkungen auf die Mykolsäuresynthese kann die aktivierte Form von Protionamid auch andere zelluläre Prozesse in Mykobakterien beeinträchtigen.
Es wurde vermutet, dass Protionamid die Expression oder Aktivität verschiedener Enzyme beeinflussen kann, die am Fettstoffwechsel, an der Energieproduktion und an anderen wichtigen Zellfunktionen beteiligt sind.
Diese indirekten Auswirkungen auf den zellulären Stoffwechsel können ebenfalls zur antimykobakteriellen Wirkung von Protionamid beitragen.
B. Spezifität und Resistenz
Der Wirkmechanismus von Protionamid richtet sich in erster Linie gegen Mykobakterien, insbesondere Mycobacterium tuberculosis, den Erreger der Tuberkulose.
Der EthA-vermittelte Aktivierungsprozess ist ein entscheidender Schritt im Wirkmechanismus, und Mutationen oder Veränderungen des EthA-Enzyms können zu einer Resistenz gegen Protionamid führen.
Das Verständnis der Resistenzmechanismen, wie z. B. der Mutationen im EthA-Gen, ist wichtig für die Optimierung des Einsatzes von Protionamid bei der Behandlung von arzneimittelresistenter Tuberkulose.
Insgesamt beinhaltet der detaillierte Wirkmechanismus von Protionamid die EthA-vermittelte Aktivierung des Prodrugs, gefolgt von der Unterbrechung der Mykolsäuresynthese und möglicherweise anderer zellulärer Prozesse, was letztlich zur Hemmung des Mykobakterienwachstums und zum Zelltod führt.
5. Therapeutische Anwendungen:
Protionamid wird in erster Linie zur Behandlung von Tuberkulose eingesetzt, insbesondere in Fällen, in denen der Patient eine Resistenz gegen andere Tuberkulose-Medikamente der ersten Wahl, wie Isoniazid und Rifampicin, entwickelt hat.
Es wird häufig in Kombination mit anderen Tuberkulosemitteln wie Pyrazinamid, Ethambutol und Fluorchinolonen eingesetzt, um die Wirksamkeit des Behandlungsregimes zu erhöhen.
Protionamid kann auch bei der Behandlung von Lepra, einer anderen mykobakteriellen Infektion, eingesetzt werden, wenn der Patient eine Resistenz gegen die üblichen Leprabehandlungen entwickelt hat.
A. Behandlung von Tuberkulose
Protionamid wird in erster Linie zur Behandlung von Tuberkulose (TB) eingesetzt, insbesondere in Fällen, in denen der Patient eine Resistenz gegen andere Tuberkulose-Medikamente der ersten Wahl entwickelt hat.
Protionamid wird häufig als Zweitlinien- oder alternative Behandlungsoption für multiresistente Tuberkulose (MDR-TB) und extensiv arzneimittelresistente Tuberkulose (XDR-TB) eingesetzt.
In diesen Fällen wird Protionamid in der Regel in Kombination mit anderen Tuberkulosehemmern wie Pyrazinamid, Ethambutol und Fluorchinolonen eingesetzt, um ein wirksameres und umfassenderes Behandlungsschema zu erstellen.
B. Einsatz bei multiresistenter Tuberkulose (MDR-TB):
Bei der MDR-TB handelt es sich um eine Form der Tuberkulose, die gegen mindestens zwei der wirksamsten Erstlinien-Antituberkulosemedikamente, Isoniazid und Rifampicin, resistent ist.
Protionamid hat sich bei der Behandlung von MDR-TB als wirksam erwiesen, insbesondere in Fällen, in denen der Patient auf andere Zweitlinien-Antituberkulosemedikamente nicht angesprochen oder diese nicht vertragen hat.
Die Aufnahme von Protionamid in das Behandlungsschema für MDR-TB kann dazu beitragen, die Behandlungsergebnisse zu verbessern und die Chancen auf eine erfolgreiche Krankheitsbewältigung zu erhöhen.
C. Behandlung der extensiv arzneimittelresistenten Tuberkulose (XDR-TB):
XDR-TB ist eine noch schwerere Form der arzneimittelresistenten Tuberkulose, bei der der Stamm gegen Isoniazid und Rifampicin sowie gegen alle Fluorchinolone und mindestens eines der drei injizierbaren Zweitlinienmedikamente (Amikacin, Kanamycin oder Capreomycin) resistent ist.
Protionamid ist als kritische Komponente bei der Behandlung von XDR-TB anerkannt, da es zur Erstellung wirksamerer und maßgeschneiderter Behandlungsschemata für diese schwer zu behandelnden Fälle verwendet werden kann.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Protionamid in ihre Empfehlungen für die Behandlung von XDR-TB aufgenommen und unterstreicht damit seine Bedeutung bei der Bewältigung dieser globalen Herausforderung für die öffentliche Gesundheit.
D. Behandlung der Lepra:
Weniger häufig wird Protionamid auch bei der Behandlung von Lepra eingesetzt, einer anderen durch Mycobacterium leprae verursachten Mykobakterieninfektion.
In bestimmten Fällen, insbesondere wenn der Patient eine Resistenz gegen die Standardbehandlungen der Lepra entwickelt hat, kann Protionamid als alternative oder ergänzende Therapieoption eingesetzt werden.
Der Einsatz von Protionamid bei Lepra ist im Allgemeinen begrenzt und erfordert eine sorgfältige Prüfung der klinischen Vorgeschichte des Patienten und der spezifischen Resistenzmuster des Infektionsstammes.
E. Dosierung und Verabreichung:
Protionamid wird in der Regel oral verabreicht, und die Dosierung richtet sich nach dem Gewicht des Patienten, seinem Alter und dem spezifischen Behandlungsschema.
Die empfohlene Dosierung von Protionamid kann variieren, es wird jedoch häufig in Kombination mit anderen Medikamenten gegen Tuberkulose oder Lepra verschrieben.
Während der Behandlung mit Protionamid ist eine sorgfältige Überwachung des Ansprechens des Patienten auf die Behandlung sowie der unerwünschten Wirkungen von entscheidender Bedeutung.
F. Regulatorische Zulassungen und Richtlinien:
Protionamid ist für die Behandlung von Tuberkulose in mehreren Ländern zugelassen, darunter Indien, Russland und einige europäische Länder.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Protionamid in ihre Liste der unentbehrlichen Arzneimittel für die Behandlung von MDR-TB und XDR-TB aufgenommen und erkennt damit seine Bedeutung für die Behandlung von arzneimittelresistenter Tuberkulose an.
Nationale und internationale Richtlinien, wie die der WHO und der nationalen Tuberkulosebekämpfungsprogramme, enthalten Empfehlungen für die Verwendung von Protionamid in verschiedenen Tuberkulose-Behandlungsschemata.
6. Pharmakokinetik und Dosierung:
Protionamid wird in der Regel oral verabreicht, wobei die empfohlene Dosierung von dem jeweiligen Behandlungsschema sowie von Gewicht und Alter des Patienten abhängt.
Das Medikament wird vom Magen-Darm-Trakt gut resorbiert, wobei die maximalen Plasmakonzentrationen innerhalb von 1-2 Stunden nach der oralen Verabreichung erreicht werden.
Protionamid wird hauptsächlich über die Leber verstoffwechselt und über die Nieren ausgeschieden, mit einer Halbwertszeit von etwa 2-3 Stunden.
A. Pharmakokinetik
a. Absorption
Protionamid wird in der Regel oral verabreicht und wird gut aus dem Magen-Darm-Trakt aufgenommen.
Nach oraler Verabreichung werden die maximalen Plasmakonzentrationen in der Regel innerhalb von 1 bis 2 Stunden erreicht, was auf eine relativ schnelle Resorption hinweist.
Die orale Bioverfügbarkeit von Protionamid liegt Berichten zufolge im Bereich von 60-80%, was auf eine gute Aufnahme aus dem Darm schließen lässt.
b. Vertrieb
Nach der Aufnahme wird Protionamid im ganzen Körper verteilt.
Es kann in verschiedene Gewebe und Organe eindringen, auch in die Lunge, wo es hohe Konzentrationen erreichen kann.
Protionamid ist dafür bekannt, dass es die Blut-Hirn-Schranke überwindet und so das zentrale Nervensystem erreicht.
Das Verteilungsvolumen von Protionamid wird auf etwa 1-2 L/kg geschätzt, was auf eine relativ umfangreiche Verteilung hinweist.
c. Stoffwechsel und Ausscheidung
Protionamid wird hauptsächlich in der Leber verstoffwechselt, wo es verschiedene Biotransformationsreaktionen durchläuft.
Der wichtigste Stoffwechselweg ist die oxidative Desaminierung von Protionamid durch das Enzym EthA, das gleiche Enzym, das für die Aktivierung des Prodrugs verantwortlich ist.
Auch andere Stoffwechselwege können beteiligt sein, darunter Konjugationsreaktionen und weitere Oxidationsschritte.
Die Metaboliten von Protionamid werden überwiegend über die Nieren ausgeschieden, mit einer Halbwertszeit von etwa 2-3 Stunden.
B. Dosierung und Verabreichung
a. Empfohlene Dosierung
Die empfohlene Dosierung von Protionamid zur Behandlung von Tuberkulose hängt von dem jeweiligen Behandlungsschema und den Eigenschaften des Patienten ab.
Typische Dosen für Erwachsene liegen zwischen 0,5 und 1 Gramm pro Tag, meist aufgeteilt auf zwei oder drei Gaben.
Die Dosierung kann je nach Gewicht, Alter und klinischer Reaktion des Patienten auf die Behandlung angepasst werden.
b. Dosierungsanpassungen
Bei Patienten mit eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion muss die Dosis von Protionamid möglicherweise reduziert werden, um das Risiko erhöhter unerwünschter Wirkungen zu vermeiden.
Während der Behandlung mit Protionamid ist eine sorgfältige Überwachung der Leber- und Nierenfunktion erforderlich, und die Dosis kann entsprechend angepasst werden.
Bei schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen oder Unverträglichkeiten kann es erforderlich sein, die Dosis von Protionamid vorübergehend zu reduzieren oder die Behandlung vorübergehend zu unterbrechen.
c. Verwaltung
Protionamid wird normalerweise oral verabreicht, entweder mit oder ohne Nahrung.
Es ist wichtig, sich an den vorgeschriebenen Dosierungsplan zu halten und keine Dosen auszulassen oder zu überspringen, da dies die Gesamtwirksamkeit der Behandlung beeinträchtigen kann.
In einigen Fällen kann Protionamid in Kombination mit anderen Arzneimitteln gegen Tuberkulose oder Lepra eingesetzt werden, wobei die Dosierung und das Verabreichungsschema auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten zugeschnitten sind.
d. Pharmakokinetische Überlegungen
Die relativ kurze Halbwertszeit von Protionamid (2 bis 3 Stunden) kann mehrere tägliche Verabreichungen erforderlich machen, um therapeutische Wirkstoffspiegel aufrechtzuerhalten.
Faktoren wie Nahrungsaufnahme, Begleitmedikation und individuelle Patientencharakteristika können die Pharmakokinetik von Protionamid beeinflussen und eine Dosisanpassung erforderlich machen.
In einigen Fällen kann eine therapeutische Arzneimittelüberwachung sinnvoll sein, um sicherzustellen, dass die Protionamid-Spiegel des Patienten im gewünschten therapeutischen Bereich liegen.
7. Unerwünschte Wirkungen und Vorsichtsmaßnahmen
Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen von Protionamid gehören Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Hepatotoxizität (Lebertoxizität).
Während der Behandlung mit Protionamid ist eine sorgfältige Überwachung der Leberfunktion erforderlich, und bei schweren Leberschäden muss möglicherweise die Dosis angepasst oder die Behandlung abgebrochen werden.
Bei Patienten mit vorbestehenden Leber- oder Nierenerkrankungen kann ein höheres Risiko für unerwünschte Wirkungen bestehen und eine genauere Überwachung erforderlich sein.
8. Zulassungsstatus und klinische Studien
Protionamid ist für die Behandlung von Tuberkulose in mehreren Ländern zugelassen, darunter Indien, Russland und einige europäische Länder.
Es ist in der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation für die Behandlung von MDR-TB und XDR-TB aufgeführt.
In der laufenden klinischen Forschung wird der Einsatz von Protionamid in verschiedenen Behandlungsschemata und die Entwicklung neuer Formulierungen zur Verbesserung der Verträglichkeit und Wirksamkeit untersucht.
9. Herstellung und Lieferung
Protionamid wird in der Regel durch chemische Syntheseverfahren hergestellt, die die Reaktion von 2-Aminothiazol mit verschiedenen Reagenzien beinhalten.
Die Produktion und Lieferung von Protionamid kann auf bestimmte pharmazeutische Unternehmen oder Forschungseinrichtungen beschränkt sein, die über die erforderlichen Produktionskapazitäten und behördlichen Genehmigungen verfügen.
Der Zugang zu Protionamid kann je nach Land oder Region unterschiedlich sein, da er von der Verfügbarkeit und den Vertriebskanälen in verschiedenen Märkten abhängt.